Istanbul – Auf den Spuren von Hüzün

Fotografie und Interviews, 2017
Pressemitteilung der a|e Galerie, Dr. Angelika Euchner
a|e Galerie, Potsdam
06.05.2017 – 23.06.2017

Pressemitteilung der a|e GALERIE
Beret Hamann – Istanbul – Auf den Spuren von Hüzün
Fotografie und Interviews

Vernissage am Freitag, dem 5. Mai 2017 um 19 Uhr
19:45 Uhr: Konzert mit Ömer Kaan Özdag (Kanun) und Caglar Tasci (Cello)

„Es ist Hüzün, was uns am besten kleidet, und was wir vielleicht am besten verstehen“

Diese Anfangszeilen eines Gedichts widmete der türkische Schriftsteller Hilmi Yavuz dem berühmten Lyriker Nazim Hikmet (1902-1963).

Hüzün bedeutet Traurigkeit, Schwermut, Melancholie, eine Stimmung, die bisweilen über der Stadt am Wasser schwebt. Hikmet hat in seinen Gedichten Hüzün vielseitig beschrieben. Er verbrachte sechzehn Jahre im Gefängnis und zwölf Jahre im Exil. Immer hat er sich nach Istanbul und seiner Familie gesehnt. Orhan Velis Gedicht „Ich höre Istanbul, meine Augen geschlossen“ und Orhan Pamuks Beitrag zu Hüzün in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Mai 2010 sind lesenswert und aufschlussreich.

Beret Hamann aus Potsdam kam als Stipendiatin des Landes Brandenburg zum ersten Mal im Herbst 2015 in die Metropole. Dort hat sie im Oktober und November die Stadt als Fotografin erkundet. Etwa 15 Fotoeinsichten aus dieser Zeit werden ausgestellt. Ergänzt werden die Exponate mit Interviews türkischer Frauen. Ihre Lebensweisen und Perspektiven werden uns durch eine audiovisuelle Präsentation nähergebracht. Ganz offen haben sie mit Beret Hamann diskutiert. Es war die Zeit vor dem Putsch! Im Februar und September 2016 reiste Hamann wieder in die Stadt, die sie nicht mehr loslässt. Ihre neuesten Fotografien sind Ende März 2017 entstanden. Durch diese drei Aufenthalte gelang es ihr, die allmählichen Änderungen und Umbrüche in der Stadt wahrzunehmen und zu dokumentieren. Privat geführte Ausstellungshäuser wurden geschlossen. Seit kurzer Zeit steht fest, dass das Istanbul Modern – Museum mit seiner attraktiven Lage am Bosporus abgerissen werden soll. Für Hamann wurde Hüzün ein vertrauter Begleiter. Doch kippt die leichte, erträgliche Schwermut jetzt in eine nicht mehr aufzuhaltende fatale Stimmung. Islamisierung und eine staatlich vorgegebene einseitige Denkweise dominieren. Andersdenkende werden vom Staatsoberhaupt als Terroristen bezeichnet und verfolgt. Atatürks säkulare und in den 60er und 70er Jahren kosmopolitisch geprägte Republik verschwindet. Ein Staatsoberhaupt mit uneingeschränkter Präsidialmacht wird seit dem 16. April weiterhin demokratische Erosion betreiben. Das ist zumindest zu befürchten. Eine Pressefreiheit gibt es schon lange nicht mehr.  Der kaum in unseren Medien kommentierte Krieg in der Südosttürkei gegen die zivile kurdische Bevölkerung wird nicht beendet.

Die zweieinhalb Jahrtausende alte Stadt am Bosporus und Goldenem Horn – an der Schnittstelle zweier Kontinente – war von kulturellen, religiösen und städtebaulichen Wandlungen geprägt. Byzanz – Konstantinopel – Istanbul evozieren jeweils typische Bilder ihrer Zeit. Bosporusdampfer sowie das Kreisen und Kreischen der Möwen, der Muezzinruf vom Minarett und die wenig erhaltenen, verfallenden Holzhäuser wie wir sie aus Ara Gülers schwarz-weiß Fotografien kennen kennzeichnen die Hüzün-Stimmung.

Hamanns individuelle Erfahrungen beim Entdecken der kontrastreichen Megalopolis und des heutigen Istanbuler Lebensalltags spiegeln sich in ihren Farbfotografien. Neben den großformatigen Ansichten werden kleinere Bildmotive gezeigt, die der Besucher schon während der Ausstellungszeit aussuchen und erwerben kann.

Die beiden Musiker des türkischen Konservatoriums, Berlin, Ömer Kaan Özdag (Kanun, Kastenzither) und Caglar Tasci (Cello) werden die Ausstellung eröffnen. Wir danken ganz herzlich Nima Ramezani für die Vermittlung.